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Auswandern nach Schweden
Die Jahreszeiten
Autoland Schweden
Freunde bekommen
Mittsommer
Krebsfest
Allsång
Alle Jahre wieder
Ziehen Sie eine Nummer!
Danke für neulich
Über die Elche
Saufen mit System

Homestyling
Der gläserne Schwede
  Auswandern nach Schweden
Stellen Sie sich Schweden als das Paradies auf Erden vor, als Ziel aller Ihrer Träume, Lösung aller Probleme? Wünschen Sie sich im Urlaub, wenn Sie leise durch tiefe Wälder wandern, an dunklen Seen Lagerfeuer entfachen, wenn blonde Menschen Sie freundlich und unbekümmert ansprechen, nichts sehnlicher, als für immer, immer hier zu bleiben? Dann sind die folgenden Seiten für Sie geschrieben. Wenn Sie nach der Lektüre immer noch nach Schweden auswandern möchten, dann tun Sie es in drei Teufels Namen. Sie wurden immerhin gewarnt!
 
Foto: KarlsonHus
 
Die Jahreszeiten
Schweden ist ein Sommerland, das ist klar. Fahren Sie im Juli hier herum, stürzen Sie von einem Volksfest ins nächste, wimmelt es auch im verschlafensten Städtchen vor Menschen, finden Sie auf der Terrasse Ihres Lieblingsrestaurants kaum einen Platz. Leichtbekleidete Blondinen stromern durch die netten Läden, zufriedene Kinder grinsen Sie fröhlich aus ihren Bollerwagen an, und an den Badestränden ist alles eitel Sonnenschein.

Wie gesagt, Juli. Kommen Sie aber zwei Monate später wieder, glauben Sie, dass eine heimtückische Seuche das ganze Land dahingerafft hat. Vorbei mit lebendigen Strassen, die Außenplätze der Restaurants sind seit langem abgebaut (versuchen Sie mal, mit Fausthandschuhen Spaghetti zu drehen), in den Kaufhäusern wühlen gestresste Familien mit nölenden Kindern. Auf dem Lande hat man das Leben des Sommers ins Haus getragen und hinter sich abgeschlossen. Die Anwesenheit Ihrer Nachbarn erkennen Sie nur noch daran, dass das Auto vorm Haus steht (wenn Sie nicht das Pech hatten, einen Nachbarn mit Garage zu erwischen - beim Hauskauf unbedingt beachten!). Von Veranstaltungen keine Spur mehr (falls Sie Ausstellungseröffnungen einiger örtlicher Hobbymaler nicht für das ganz große Highlight halten).

Langsam und erwartungsgemäß fällt das Laub von den Bäumen, was das Land nicht hindert, an sonnigen Tagen umwerfend schön zu sein. Nur: Wie viele sonnige Tage hat der November? Richtig, zwei oder drei. Der Rest ist Nieselregen, Kriechkälte, Nebelkrähen. Der echte Schwede schlüpft jetzt, nach Ende der Gartensaison, endgültig in die Sofakissen. Warum wohl sind schwedische Häuser so ungemein gemütlich eingerichtet, in geschmackvollen Tönen, weichen Farben, mit anheimelnden hellen Möbeln? Ganz einfach: Der Besitzer hat nicht die Absicht, vor Mittsommer wieder aus seinem Heim aufzutauchen, und das stellt einige gestalterische Ansprüche an die Bleibe.

Macht nichts, sagen Sie, diese Winterabende am warmen Ofen sind doch was Schönes, man lädt sich Freunde ein, guckt ein schönes Fernsehprogramm oder liest was Nettes. Zu den Freunden kommen wir später, und zum Fernsehen gleich. Vor zehn Jahren hätte ich Ihnen noch empfohlen, sich sofort eine Schüssel an die falurote Fassade zu pinnen. Inzwischen hat das deutsche Fernsehen aber das schwedische auf der nach unten offenen Müllskala überholt, ohne es je einzuholen. Das staatliche SVT ist eine Qualitätsinsel mit tieflotenden Nachrichten, großartigen Reportagen, guter Unterhaltung und aufwendig produzierten Fernsehfilmen (wenn auch oft recht trübselig). Ein paar merkwürdige Sendungen, die sich bei Schweden größter Beliebtheit erfreuen, werde ich wohl nie verstehen (ich sage nur Eisenbahnquiz!), aber man kann ja auch ausschalten.

Ein Winter mit Schnee ist was Schönes, überall auf der Welt. Vor allem, weil ihm der Frühling folgt. Jedenfalls fast überall auf der Welt. Jedoch nicht in Skandinavien. Ihre innere Uhr sagt Ihnen, dass jetzt langsam das erste Schneeglöckchen auftauchen müsste. Denkste, kommt erst in drei Wochen. Deutsche Verwandte erzählen Ihnen, wie wunderschön die Krokusse blühen. Sie können nur wilde Vermutungen anstellen, aus welcher Stelle im Schnee Ihre dereinst hervorsprießen werden. Ich bin besonders geschlagen, weil ich aus dem Havelstädtchen Werder komme, wo jedes Jahr im Frühjahr das weithin berühmte (und vielleicht auch ein bisschen berüchtigte) BAUMBLÜTENFEST gefeiert wird. Während ich hier noch nach den Tulpenspitzen suche, weil die Triebe nicht einmal zu ahnen sind. Das ist hart, glauben Sie es mir.

Als Mitteleuropäer ist man gewohnt, vom Frühling überrascht zu werden, statt auf ihn warten zu müssen. Deshalb ist der Frühling auch die Zeit, wo viele Schweden panikartig die Flucht gen Süden ergreifen. Man sagt nicht zu Unrecht: Wenn andere Leute verreisen, fahren sie irgendwo hin. Die Schweden hingegen fahren vor etwas davon. Und kommen aus dem sprießenden, blumigen Süden zurück, um im Garten die letzten Schneereste zu bestaunen, die einfach nicht weichen wollen. In Schweden hätte Goethe seinen Osterspaziergang nie geschrieben!

Aber bald ist ja Walpurgisnacht, am 30. April. Es werden überall große Maifeuer aufgeschichtet (die ideale Gelegenheit, um seinen Gartenabfall loszuwerden. Aber wie überall wird der gute Zweck vom Bösen missbraucht - am Festabend finden sich mancherorts auch alte Autoreifen, Farbreste und ausgediente Matratzen im Scheiterhaufen und stinken im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel).

Anfang Juni ist Schulabschluss. Wundern Sie sich nicht, wenn man Sie als überzeugte Atheisten-Eltern zu diesem Anlass in eine proppenvolle Kirche zwingt. Schließlich haben Sie den Erhalt derselben mitbezahlt. Es ist auch nicht so schlimm, wie man denkt, ein paar hübsche Sommerlieder, fromme Worte des wegen des Besucherandrangs ziemlich aufgeräumten Pfarrers, und dann nichts wie raus. Schulabschluss = Lebensbeginn für das Sommerland, überall geht es jetzt los, Cafés sprießen aus dem Boden wie Pilze, kleine Trödelläden tauchen aus dem Nichts auf, die zahllosen Festivals und Märkte jagen einander die Besucher ab. Anfang Juli geht dann das Land geschlossen in Urlaub, der Grillrauch hängt wie eine dichtgewebte, unverrückbare Decke über Städten und Dörfern und weicht erst Anfang August. Denn dann beginnt die Schule. Welche fatalen Folgen dieser Umstand hat, konnten Sie oben nachlesen.

   
Autoland Schweden
Schweden, das Land all der schönen Volvos und Saabs, ruft seinen Fuhrpark jährlich zum TÜV. Dort wird nicht auf Schönheit, sondern auf Fahrtauglichkeit geprüft, weshalb viele Rostlauben noch mal eine Runde dabei sein dürfen.
Als Autofahrer haben Sie ein paar Meter nach dem Passieren des verwaisten Zollgebäudes im Fähranleger das erste Aha-Erlebnis. Diese Strassen! Gerade, breit, gepflegt, menschenleer! Ihr Wagen gleitet leise dahin und fühlt sich selber wie im Urlaub, Sie freuen sich mit. Langsamer fahrende Autos machen Ihnen aufmerksam Platz, das Überholen ist ein Kinderspiel. Auch in den Städten: Keine Drängler, keine Hitzköpfe, niemand, der sich vor Ihnen in die Parklücke schiebt.

Nach drei Wochen Schweden können Sie das Wort Parkplatznot nicht mehr buchstabieren. Der Autofahrerhimmel! Aber was ist das? Vor Ihnen an der Kreuzung steht einer und fährt einfach nicht rüber, obwohl weit und breit kein Verkehr zu sehen ist. Dann, als sich langsam von rechts ein Wagen nähert, schießt er in halsbrecherischer Fahrt über die Kreuzung, und vor Ihren Augen spielen sich die schlimmsten Unfallszenen ab. Behalten Sie Ihre Phantasie, Sie können sie bestimmt noch öfter brauchen. Zum Beispiel für Fahrer, die die Vorfahrt nach dem Prinzip der Wartezeit regeln: Ich steh schon seit zwei Minuten hier, du erst seit einer, also fahr ich mal eben. Verstauen Sie Ihre Rechtsgefühl im Portemonnaie neben Ihrem Führerschein und seien Sie auf alles gefasst, dann werden Sie bestimmt überleben.

Und wenn Sie gelernt haben, dass man die paar auf der Strasse verlorenen Minuten beim Parken schnell wieder reinholen kann, machen Ihnen auch keine Autofahrer mehr was aus, die auf der 110-Strecke 70 fahren, um Sprit zu sparen. Bald machen Sie es vielleicht genauso - ein wichtiger Schritt für die Integration!
   
Freunde bekommen
Haben Sie die Schweden als offenherzige, freundliche Gastgeber erlebt? Das sind sie auch. Man kann mit ihnen rauschende Feste feiern und sie immer um Hilfe bitten, wenn es mal irgendwo klemmt. Aber ab einem bestimmten Punkt ist Schluss. Im Herzen des Schweden ist ziemlich weit vorne ein kleines Pförtchen eingebaut, das er nicht ohne weiteres für Fremde aufmachen will. Wenn man Sie zu sich nach Hause einlädt, ist viel gewonnen, aber erwarten Sie nicht den großen Durchbruch. Gewöhnen Sie sich lieber daran, dass Sie sich auch nach 10 Jahren im Kreise Ihrer zugereisten deutschen Freunde heimischer fühlen als unter Ihren schwedischen Nachbarn.

Was für den Film gilt, kann mal allerdings auch in dieser Situation verallgemeinern: Hunde und kleine Kinder helfen immer. Den verliebten Plausch der Hundebesitzer über ihre Vierbeiner kennen Sie von zuhause. Immerhin etwas, wenn auch keine tiefgreifende Freundschaft. Kinder hingegen sind die Eintrittskarte in die Gesellschaft. Ich werde nie vergessen, wie eines Nachmittags eine junge Nachbarin vor meiner Tür stand und mich zum Nähkränzchen einlud. Zum NÄHKRÄNZCHEN! Ich war 25 Jahre alt, mein Sohn war 8 Monate. Ich sagte zu, weil ich in dieser schrecklichen Situation Ja, tack! für die sichersten Vokabeln hielt. Zitternd schlich ich zwei Tage später zur besagten Nachbarin und hatte nicht mal was zum Nähen mit. Hatten die anderen aber auch nicht! Das Nähkränzchen entpuppte sich als fröhliche Klatsch- und Stichelrunde junger Mütter, die Kindererziehung erörterten, über ihre Männer herzogen und allgemeine Frauenprobleme lösten. Dazu gab es immer etwas Gutes zu essen und ein Tröpfchen Wein.

Irgendwann hörten diese Abende auf, denn alle fingen nach dem Mutterurlaub wieder an zu arbeiten. Aber noch heute haben wir guten Kontakt zueinander und feiern gemeinsam Feste. Also: Lassen Sie jedermann in Ihren Kinderwagen schauen, und lehnen Sie nie eine Einladung zum Nähkränzchen ab!
Auch später geleiten die lieben Kleinen Sie sicher und sozial durchs Leben: Kindergarten (versuchen Sie, frühzeitig in die Elternvertretung gewählt zu werden, so kriegen Sie zwar mehr Arbeit, aber auch gute Kontakte), Schule, Sportverein. Öffnen Sie Ihr Haus für Nachbarkinder – mit abholenden Eltern kann man sich prima unterhalten und anfreunden!
   
Mittsommer
Als Schwedenkennern und -liebhabern ist Ihnen natürlich das Mittsommerfest ein Begriff - nicht erst seit der IKEA-Werbung.
Bekränzte Frauen und Kinder in Trachten, fröhliche Tänze, ausgelassene Stimmung. Doch haben Sie schon einmal hinter die Fassaden dieses Festes gucken dürfen? Alles fängt Wochen vorher mit dem Backen der sagenhaften Bullar, dieses herrlichen Hefegebäcks an. Wenn man Sie einlädt, Vorstandsmitglied in einem Heimatverein, Ruderklub oder einer anderen Interessengemeinschaft zu werden, sollten Sie Ihre Backbereitschaft vorher kritisch hinterfragen. Bei uns handelt es sich jährlich zu Mittsommer um 100 Bullar und einen Sandkuchen. Pro Vorstandsmitglied also.
(Ihnen kann ich es ja verraten: Ich bestelle die ganze Ladung immer bei einem Freund der Familie, der eine Bäckerei betreibt und mir die Dinger günstig ablässt. Man muss nicht heldenhafter sein als nötig...)

Die Bullar sind also gebacken, der Mittsommerabend (immer Freitag) ist da. Der Abend fängt schon am Morgen an, wenn die Kinder auf der Wiese Blumen pflücken und den Maibaum damit einwickeln. So weit, so romantisch. Nachmittags wird der Baum mit vereinter Kraft aufgestellt (manchmal fällt er tatsächlich um, dann kommt das in den Nachrichten). Und nun geht’s los: Tanz um den Maibaum. Erwachsene wie Kinder kriechen und hoppeln begeistert durchs Gras und singen dazu biologisch einfach nicht korrekte Lieder. Oder was soll man davon halten: "Die kleinen Frösche, die kleinen Frösche sind lustig anzusehen. Sie haben keine Ohren, und sie haben keine Schwänze." Und das auf dem Lande!


Nach der Feier zieht man sich zurück zum Abendessen, und dieses ist im ganzen Land in folgender Form obligatorisch: Frische Kartoffeln, Matjes, dazu saure Sahne. Schmeckt viel besser, als es klingt! Außerdem gibt es Erdbeertorte (jedes Jahr um Mittsommer die gleiche Hysterie: Wird es denn pünktlich Erdbeeren geben? Und was kostet die Schale?) Das Erreifen der ersten roten "Erdmännchen" wird sogar in der Zeitung vermeldet. Und wie sieht die schwedische Erdbeertorte aus? Es ist ein großer Sahnehaufen mit roten Punkten drin. (Ich verblüffe und entzücke unsere Nachbarn und Gäste immer wieder mit vorgefertigtem Tortenboden und Gelee von Doktor Oetker - sie halten mich für eine Zauberin in der Küche!)

Der Mittsommerabend wird im Kreise enger Freunde und Verwandte verbracht. Die Festgeräusche steigen direkt proportional mit dem Alkoholkonsum an. (Unsere Nachbarn z.B. haben jedes Jahr einen begabten Menschen zu Besuch, der immer gegen halb ein Uhr nachts ein fröhliches Trompetensolo vorträgt.)
Der eigentliche Mittsommertag ist dann am Sonnabend. Da nur die wenigsten diesen Tag bei vollem Bewusstsein und in körperlich guter Verfassung erleben, ist dieser Sonnabend der ruhigste des ganzen Jahres.
   
Krebsfest
Gleich nach dem Mittsommerfest kommt (sowohl von der Bedeutung her als auch zeitlich gesehen) das Krebsessen. Klingt harmlos, ist es aber nicht. Die Hauptdarsteller des Abends sind kolossale rote Krebsviecher, die man in Dillsauce gekocht hat. Da die schwedischen Krebse seit langem mit diversen Krebskrankheiten infiziert sind, werden die Leckerbissen nun aus Amerika, China oder Indien importiert, wo man sie nach echtem schwedischem Rezept zubereitet und dann eingefroren hat.

Unbedingtes Zubehör zum Krebsfest sind: Lampions, wegen der Stimmung. Papphüte, wegen der Stimmung. Papierlätzchen, wegen der Krebssauce, die hundsgemeine Flecken macht. Und natürlich das unvermeidliche Liederheft.
Die Arten des Krebsessens sind so verschieden wie die Esser, vom vorsichtigem Zupfen am Schwanzteil bis zum gierigen, pietätlosen Auslutschen des gesamten Innenlebens ist alles erlaubt. Dazu wird ein Schnäpschen getrunken. Wenn die Anzahl der Schnäpschen die Anzahl der gegessenen Krebse überstiegen hat, wird es lustig. Sehr lustig.
   
Allsång
Der Schwede singt gern. Der Schwede singt gern und schön. Der Schwede singt gern und schön und so oft man ihn lässt. Deshalb hat er den Allsång (Allgesang) erfunden und zur unverzichtbaren Zutat aller Feste und kulturellen Zusammenkünfte gemacht.

Den Allsång darf man, wenn er gelingen soll, nicht dem Zufall überlassen. Daher wird rechtzeitig ein Gesangsleiter auserkoren, und die Texte der Lieder, die gesungen werden sollen, finden sich kopiert und geheftet in ausreichend vielen Exemplaren auf den Tischen. Es sind eigentlich immer die gleichen Lieder, wenn auch je nach Laune und Freizügigkeit der Gastgeber mit veränderten, teilweise recht schlüpfrigen Texten. Bellman ist dabei, ein paar Schlagerklassiker, ein bisschen Evert Taube.

Es lohnt sich unbedingt, sich die wichtigsten dieser Lieder mitsamt den Originaltexten einzuprägen. Wer will schon wie ein verklemmter Karpfen in einer fröhlichen Gesangsrunde sitzen? Außerdem macht das Singen, wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat, richtig Spaß. Und gesund soll es ja angeblich auch sein. Also: Keine Angst vor dem Allsång! Auch wenn man Sie ganz sicher auffordern wird, mal etwas richtig Deutsches zum Besten zu geben. Vom Ännchen von Tharau bis zum Bier auf Hawai ist alles erlaubt - irgendetwas werden Sie schon finden. (Ich hatte mal großen Erfolg mit dem "Lied der Jungen Pioniere". Ob es gastgeberische Höflichkeit oder sprachliches Unverständnis war - wer wird es je wissen?)

 

  Alle Jahre wieder
IKEA hat sich wirklich um die Information über schwedische Bräuche und Sitten verdient gemacht. Das mit dem Weihnachts-Baum-Rausschmeißen ist ja auch hinlänglich bekannt!
Da ich in diesem Jahr gezwungen war, zwei Weihnachtsbaum-Abschiedszeremonien an einem Tag zu besuchen, kann ich einen doppelt zuverlässigen Bericht darüber abliefern.

Der Tag aller Tage heißt Knut und kommt als zwanzigster nach Heiligabend.
Ob Knut besonders gewalttätig oder ordnungsliebend war, oder ob er einfach eine Tannennadelallergie hatte, darüber schweigen die Bücher. Jedenfalls fliegt an diesem Tag der Baum raus. Er wird nicht heimlich beseitigt und brutal zerlegt, sondern feierlich ausgetanzt. Zu diesem Zwecke sammelt sich die Dorfbevölkerung, Schulklasse etc. zu einem Ring um den schon leicht zerzausten Grünen (oft ein öffentliches Nadelgewächs im Freien, die meisten Glühlampen sind natürlich schon kaputt), und los geht’s.

Da fast immer schlechtes Wetter ist, hüpfen alle in Gummistiefeln durch die Pfützen und schmettern das Lied von den kleinen Fröschen, die keine Ohren haben (genau, das von Mittsommer, den Zusammenhang konnte mir bisher noch keiner erklären). Dazu noch eine ganze Reihe anderer, unausweichlicher Folklore. Wenn alle total erschöpft sind, kommt… der Weihnachtsmann! Schon wieder! Es ist wirklich erschütternd. Und pädagogisch vollständig verantwortungslos. Da hat man seinem Sprössling gerade mit Hilfe des alten Schulatlas erklärt, wie der ”Tomte” binnen 24 Stunden um den ganzen Erdball düst und die Kinder der Welt mit Geschenken zubombt. Man hat die wirklich feine und gewerkschaftlich korrekte Vorstellung verankert, dass der alte Herr jedes Jahr am 25. 12. seinen wohlverdienten Jahresurlaub antritt und vor November nicht zu sprechen ist. Und plötzlich taucht er wieder auf! Mit lauter Tüten voller Süßigkeiten, die das örtliche Lebensmittelgeschäft zum Sonderpreis abgelassen hat, weil das Best before auch schon gestern war. Muss das sein? Ja, es muss. Wie gesagt, in diesem Jahr waren wir bei zwei Weihnachtsbaumfesten hintereinander, und irgendwann wundert sich dann auch ein Sechsjähriger über gar nichts mehr.
 
  Ziehen Sie eine Nummer!
Bitte beachten Sie das folgende Kapitel, wenn Sie in der Apotheke, am Käsestand oder beim Arzt nicht stundenlang warten und entsetzt zusehen wollen, wie Leute, die später als Sie gekommen sind (also Kunden niederen Ranges), sich einfach an Ihnen vorbeischieben und ihre Wünsche vortragen. Denn in Schweden wurde der Albtraum aller vorbildlichen Warter gebannt, die Frage "Wer ist denn hier der Letzte?" ein für allemal beantwortet. Der Letzte ist immer der ohne Nummerzettel! Machen Sie es sich daher zur Angewohnheit, beim Eintreten in jegliche öffentliche Räume zuerst nach der kleinen, meist roten Rolle zu suchen, die irgendwo herumhängt und auf Zug oder Knopfdruck Ihren Berechtigungsschein für baldige Bedienung ausspuckt. Ob Reisebüro, Bäcker oder Krankenkasse: Tag en nummerlapp, und das schwedische Ordnungssystem nimmt Sie liebevoll unter die Fittiche!
 
  Danke für neulich
In Deutschland und anderswo reicht es aus, wenn Sie sich nach einem gelungenen Fest, einem guten Essen oder anderen gemütlichen Beisammensein höflich/herzlich/freundlich für die Einladung bedanken und des Weges ziehen. In Schweden gilt das eherne, für Nichteingeweihte tödliche Gesetz des "Danke für neulich." Es tritt z.B. überraschend in Aktion, wenn Sie dem Gastgeber zufällig auf der Strasse begegnen. Das Gespräch wird in allen Fällen gleich ablaufen: Sie: „Danke für neulich, es war ein sehr schöner Abend". Gastgeber: „Danke gleichfalls, Es war schön, dass Ihr kommen konntet.“ Ich habe ewig gebraucht, bis ich das endlich gelernt habe (irgendwie hat man das Gefühl, es müsse doch reichen, wenn man es einmal sagt.)

Begegnen Sie dem Gastgeber nicht innerhalb einer Woche, ist Phantasie und manchmal auch List gefragt. Unser Freund Arne hat zum Beispiel mal angerufen und eiskalt behauptet, er hätte sich verwählt. Um gleich darauf loszulegen: Wo du schon mal dran bist, danke für neulich! Es war sehr nett! Und ich: Danke für Euren Besuch, Arne. Es war schön, dass Ihr kommen konntet!
Statt solcher durchtriebenen List kann man natürlich auch einen Riesenstrauß bei Fleurop ordern, eine Dankesanzeige in die Zeitung setzen oder einfach eine Postkarte schicken. Aber Achtung: Postkarte lieber nicht persönlich in den Briefkasten des Gastgebers stecken. Es könnte sein, dass Sie erwischt und auf einen Kaffee hereingebeten werden. Und schon geht's wieder los...
 
  Über die Elche
Darf es einen Bericht über das Land Schweden geben, in dem keine Elche vorkommen? Nein, darf es nicht. Denn der Elch fasziniert den Deutschen wie der Kölner Dom den Japaner, und ich wage zu behaupten, dass viele überhaupt nur wegen der Elche herkommen. Erklären kann es keiner, verbergen auch nicht: Die Deutschen sind elchverrückt. Um den König des Waldes vor die Linse zu bekommen, üben sie daheim schon zwei Wochen vorher den Brunzlaut. Sie steigen an jedem Elchwarnschild aus dem Auto und gehen nachgucken. Sie verbringen halbe Nächte auf finsteren Waldwegen oder lauern bei Tagesanbruch im Dickicht. Und doch haben nur wenige das Glück, denn der Elch ist ein scheues Tier und verzieht sich lieber, wenn Manne aus Berlin durchs Unterholz kracht.

Fakt ist: Mit Elchen kann man prima Geschäfte machen. Plüschtiere, Aufkleber, Massageroller, alles geht weg, wenn nur Schaufeln dran sind. Bloß die nachgemachten Verkehrschilder nicht, die sollen lieber echt sein. Also wird abgeschraubt, was das Zeug hält. Jedes Jahr kommen etliche Elchschilder abhanden, und der Verdacht fällt immer wieder und ausschließlich auf die deutschen Schlachtenbummler. Ist dies ihr hartnäckiger Versuch, den Schweden ihre Eroberungszüge aus dem 30jährigen Krieg heimzuzahlen? Rechnet man mit zunehmenden Elchbeständen auch in heimischen Gefilden und baut daher vor? Man weiß es nicht. Man weiß nur, der Deutsche klaut Schilder, und das muss verhindert werden.

In Norrland hat man bereits eine effektive Methode gefunden: Die rotgelben Dreiecke werden einfach mit ein paar Gewehrkugeln durchlöchert und somit ihrer Attraktivität beraubt. Das ist preiswert, wirkungsvoll und macht Spaß.

Die richtige Elchjagd geht im Oktober los. Jeder Schwede, der was auf sich hält und einen Jagdschein hat, brettert mit der Thermoskanne durch den Wald, immer am Rande des Herzinfarkts. Denn Elchjagd ist anstrengend, besonders für untrainierte Schreibtischtäter. Die Büros stehen unterdessen leer, die ungelesene Post stapelt sich, und alle haben Verständnis. Denn die Vorgesetzten sind ja auch im Grünen.

Wenn Sie ein paar Jahre in Schweden gelebt haben, entromantisiert sich Ihr Verhältnis zum König des Waldes. Sie fangen an, ihn eher als Gesundheitsrisiko zu sehen, als unbelehrbaren Verkehrsteilnehmer, der Ihnen und Ihrem Auto versehentlich nach dem Leben trachtet. Tritt Ihnen ein solches Ungetüm nachts plötzlich vor die Scheinwerfer, dann denken Sie bitte nicht: Wow, der König des Waldes, und ich ohne Fotoapparat! Denken Sie lieber: Der Elch stakst geradeaus weiter und wendet selten, drum immer auf die Hinterbeine zielen!
     
  Saufen mit System
Zu viel kann man wohl trinken, doch nie trinkt man genug.“

Nein, das war nicht Strindberg, sondern Lessing. Ob in Schweden zuviel oder gar falsch getrunken wird, darüber erhitzen sich die Gemüter seit Jahren. Besonderen Schwung nahmen die Streitigkeiten nach Schwedens Beitritt zur EU, denn durchschnittliche Europäer können über die hiesige Art, der Promille Herr zu werden, nur den Kopf schütteln.

Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein leicht unanständiges Geschäft. Sie wissen genau, dass Ihre Nachbarn, Kollegen und Verwandten auch dort einkaufen. Man packt Ihnen die (kräftig überteuerte) Ware in einen völlig neutralen Beutel, den alle auf der Straße sofort wiedererkennen. Mit anderen Worten - Sie fühlen, dass Sie eine unrechtmäßige Handlung begehen. Etwas Verbotenes. Sie nehmen an einer kollektiven Straftat teil, gemeinsam mit ca. 2 Millionen anderen Tätern. Dabei wollten Sie nur eine Flasche Wein zum Abendessen holen.

Warum kann der Schwede seinen Alkoholbedarf nicht wie alle anderen im Lebensmittelgeschäft decken? Warum wird er gezwungen, in einen Laden mit dem strengen Namen Systembolaget zu gehen, sich einen Nummerzettel zu ziehen, das vorhandene Angebot scheu in verschlossenen Vitrinen zu betrachten (in den größeren Orten hat man Selbstbedienung eingeführt, bei uns noch nicht) und schließlich seine Wünsche in das Ohr einer thekengesicherten Verkäuferin zu flüstern, die unweigerlich an eine Pharmazeutin erinnert? Warum ist der Alkohol so teuer, warum wird er Sonnabend mittag eingeschlossen und taucht erst am Montagvormittag wieder auf? Weil der Schwede nicht trinken kann. Meinen die schwedischen Behörden. Stimmt nicht, sagen die Befürworter einer liberalen Alkoholpolitik. Wie auch immer, für Ausländer ergibt sich ein anmutiges Bild.

Quartalssäufer stehen mit Generaldirektoren in einer wohlgeordneten Warteschlange, verheißungsvolle Bouteillen werden aus dunklen Schubladen zutage gefördert, verschämte Genießer verbergen die verdächtigen Beutel auf der Straße hinter dem Rücken. Trifft man Bekannte in der Warteschlange, überspielt man die Situation mit bemühten Witzen. Glücklich sind jene, die nahe der Fähranleger zum Kontinent wohnen. Hier gehört ein Kastenroller zur Grundausstattung jeden Haushalts, denn seit die erlaubten Einfuhrmengen deutlich erhöht wurden, reicht Omas alter Reisekoffer nicht mehr aus.

Für jene, die im Inland ansässig sind, gibt es zum Glück die Busreisen. Manchmal werden sie sogar mit einem touristischen Inhalt versehen, aber das ist natürlich alles nur Tarnung. Ein Schwede, der eine Wochenendreise nach Rostock macht, will Geistiges besorgen und schert sich nicht die Bohne um die historische Innenstadt. Im besten Fall weiß er hinterher, wie das Reiseziel hieß (und der Laden, wo er eingekauft hat).
Die Diskussion um den Alkohol bewegt alle skandinavischen Nationen mit unerschütterlicher Intensität, und wenn die EU nicht bald ein Machtwort spricht, dann wird man wohl ewig weiterstreiten.
   
 
Homestyling
Um es gleich vorwegzunehmen: Man muss kein Einrichtungsfanatiker sein, um in Schweden zu leben. Aber es erleichtert. Denn hier ist Homestyling schwer angesagt, und das auch in der kleinsten Hütte. Ich habe mal in unserer Dorftankstelle die angebotenen Wohnmagazine durchgezählt: 16 Stück. Die Einrichtungsblogs im Internet lassen sich schon gar nicht mehr in Ziffern erfassen. Es scheint, als ob jeder, der gerade ein bisschen renoviert oder öfter mal seine Kissen auswechselt, dazu den passenden Blog betreibt. Die Homeblogger besuchen sich mit Vorliebe gegenseitig, so dass es nie an lesewilligem Publikum fehlt.

Die schwedische Lust am Einrichten treibt zuweilen seltsame Blüten, eine davon nennt sich Weihnachtsgardinen. Es wird mehr oder weniger von Ihnen erwartet, dass Sie am ersten Dezember nicht nur 37 Adventsleuchter im Haus verteilen, sondern auch Ihre Gardinen gegen saisonbetonte Textilien austauschen. Mindestens in der Küche und im Wohnzimmer. Ebenso tief verankert ist der Begriff Julstädning, was man mit Großem Weihnachtsputz übersetzen könnte.  Hierbei ist gründlich in jede Ecke vorzudringen. Der Einwand, dass ja in Kürze die Tannenbaumnadeln zu Boden rieseln und den schönen Eindruck versauen, zählt nicht.

Übrigens ist der schwedische Staatsminister Fredrik Reinfeldt auch ein Saubermachfreak. Er hat sich schon mit Schürze und Staubsauger ablichten lassen und dem Volk seine putzlustigen Reinigungstipps geschenkt. Fredrik schrubbt gern zu lauter Musik und nimmt sich bei jedem Wochenputz einen Raum „zur Vertiefung“ vor. Hausmännlich!

Die Belohnung (oder Strafe) für alle Homestyler lässt nie lange auf sich warten. Wenn Sie Gäste einladen, vor allem solche, die noch nie bei Ihnen zuhause waren, können Sie davon ausgehen, dass eine Besichtigungsmöglichkeit für Ihr ganzes Heim erwartet wird. Unter dem Motto: „Wir wollen doch gerne sehen, wie es bei Euch so ist“ stiefeln die Besucher ungeniert in Ihr Schlafzimmer, die Abstellkammer und genau das Badezimmer, welches nicht als Gästetoilette gedacht war. Es gilt also, vor geselligen Abenden das ganze Haus auf Vordermann zu bringen, nicht nur die relevanten Verkehrsflächen. Peinlich ist das nur die ersten Male, dann gewöhnt man sich dran. Und ehrlich, Sie wollen doch auch gern wissen, wo Ihre Nachbarn die Nächte verbringen?


Der gläserne Schwede
Wenn in Schweden die Rede von Datenschutz ist, sind meistens Computer gemeint. Mit der Geheimhaltung von persönlichen Angaben hat man es hier nicht so. Das ist ausgesprochen praktisch. Ich kann zum Beispiel im Internet nachsehen, wer heute in meinem Ort alles Geburtstag hat, und wie alt die Frau vom Schuldirektor ist.

Wenn ich mich auf der Straße über einen Autofahrer ärgere, brauche ich nur das Kennzeichen per SMS ans Fahrzeugregister zu schicken und erfahre Sekunden später den Halter und seinen Wohnort. Ich kann mir einen Steuerkalender nach Hause bestellen, in dem das aktuelle Einkommen für alle Einwohner meiner Provinz aufgeführt ist. Ich kann aber auch das Gehalt einzelner Personen per Internet oder SMS abfragen.

Meine deutschen Verwandten wundern sich immer, dass ich ohne Fahrzeugpapiere herumfahre. Braucht man hier nicht, die Polizei gibt das Kennzeichen ein und weiß dann alles über mein Auto, ob es auch ordentlich geprüft, versteuert und versichert ist. Falls ich meinen Führerschein vergessen habe, sage ich meine Personennummer auf und mit dieser gucken die blauen Jungs dann sofort im Zentralregister nach.

Die Personennummer brauche ich auch beim Arzt, beim Apotheker, in der Bibliothek, bei der Bank, beim Finanzamt und manchmal beim Einkaufen. Rezepte werden einem hier zum Beispiel nicht mehr in die Hand gedrückt. Man geht zur Apotheke, sagt die magische Zahl und bekommt seine Medikamente. Medizinisch ist man über die Personennummer landesweit archiviert. Wenn ich mal in 30 Jahren zum Ohrenarzt muss, kann der sehen, dass man mir 1994 Hustensaft verschrieben hat.

Deutsche Datenschützer dürften hier das Schütteln kriegen, aber ich sage Ihnen was, das Leben wird viel leichter. Personennummer auswendig lernen und dann auf der Autobahn ab durch den Behördendschungel. Einfacher geht's nicht.

 

Haben Sie bis hierher gelesen? Dann scheinen Sie sich wirklich für Schweden zu interessieren. Ein Tipp: Verbringen Sie längere Perioden im Land, bevor Sie sich entscheiden. Besonders im Herbst und Winter. Bauen Sie ein soziales Netz auf, Sie werden es brauchen. Und schließlich: Wer nicht schwedisch kann, wird immer draußen bleiben.

Lycka till!

 

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